
Gedanke 1: Meinungsfreiheit
Der tiefere Sinn von Meinungsfreiheit war nie, dass jemand unkommentiert Stuss von sich geben oder Lügen verbreiten darf. Meinungsfreiheit bedeutet, dass das Geäußerte (auch unmittelbar) kritisiert werden kann. Denn auch Kritik ist Meinungsfreiheit. Das ist übrigens die Keimzelle des rationalen Diskurses. Und klar können auch Buh-Rufe Teil dieser Kritik sein. Und auch die „Abstimmung mit Füßen“ gehört zur Meinungsfreiheit. Niemand muss sich etwas anhören, was er/sie unterträglich findet. Dieses Markt-Element steckt vor allem im zweiten Teil des Begriffs Meinungsfreiheit. Wie es funktioniert, ließ oder lässt sich traditionell im Londoner Hyde Park in der Speaker’s Corner anschauen.

Wenn man aber laut wird, bevor eine Debatte erst stattgefunden hat, geht es ja darum, die Debatte oder einzelne Wortmeldungen zu unterbinden. Das ist meines Erachtens keine Meinungsfreiheit (mehr), sondern eine Machtdemonstration durch Gewalt. Und die muss auch mit Gegengewalt rechnen (indem zum Beispiel Polizisten Randaleure hinaustragen).
Apropos Gewalt …
Gedanke 2: Gewalt und Politik
Da ich mich ein bisschen mit Revolutionsforschung auskenne, kann ich sagen, dass Gewalt und Politik oft zusammen auftreten. Wenn wir uns als Demokraten bezeichnen, muss uns bewusst sein, dass weder die Französische Revolution noch die Revolutionswelle von 1848/49 noch die Ausrufung der (deutschen) Republik am Ende des Ersten Weltkriegs ohne Gewalt vonstatten ging. Das waren keine friedlichen Demos, da gab es Rabatz, Menschen kamen zu Tode und Eigentum wurde zerstört. Aber: Am Ende stand (zumindest bei den Revolutionen) ein politisches Programm, das die Gewalt beendet hat. Und ich persönlich halte revolutionäre Gewalt genau aus diesem Grund für legitim: Sie schafft in einer bestimmten historischen Situation eine Art „Quantensprung“, verändert auf einen Schlag Machtverhältnisse und ermöglicht so längerfristigen (friedlichen) Fortschritt. Und für genau so legitim erachte ich es auch, die Demokratie mit Gewalt zu verteidigen. Wenn es denn mal so weit ist, dass sie mit Gewalt verteidigt werden muss (wie im spanischen Bürgerkrieg). Aber tut mir leid: vor der Tübinger Hermann-Heppner-Mehrzweckhalle die Demokratie zu verteidigen, indem man eine Diskussion unterbindet, ist lächerlich. Damit erreicht man nur, dass sich Leute verschreckt von den Zielen derer abwenden, die da geschrien haben. Und das war es schlicht nicht wert.

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