Der Skandal um die gefälschten Reportagen im SPIEGEL und anderen Magazinen hat die deutsche Medienwelt erschüttert. Dabei macht er eine Signatur unserer Zeit sichtbar: die merkwürdige Sucht nach Authentizität. Der Betrugsfall erinnert an einen anderen, der vor den Deutschen vor über 100 Jahren ihren Uniformkult und ihre Obrigkeitshörigkeit vor Augen führte.

Interessante Lektüre: Manche Reportagen im SPIEGEL lege ich mir zwecks späterer Lektüre auf meinen Schreibtisch. Diese hier wurde von den Eregnissen überholt: Eine Reportage von Claas Relotius und seinem Kollegen und “Entlarver” Juan Moreno.
Als Friedrich Wilhelm Voigt am 16. Oktober 1906 die Stadtkasse von Köpenick raubte, war das kein normaler Überfall. Der gelernte Schuster und vorbestrafte Kleinkriminelle hatte sich aus verschiedenen “Ersatzteilen” die Uniform eines Hauptmanns des ersten Garderegiments zusammengestellt. So verkleidet passte er mehrere (bewaffnete) Rekruten in der Nähe einer Berliner Kaserne ab, unterstellte sie kurzerhand seinem Befehl und fuhr mit ihnen nach Köpenick. Dort befahl er seinen Leuten (mit der Behauptung, auf “allerhöchste Kabinettsordre” zu handeln), den Bürgermeister und einen Stadtsekretär zu verhaften. Die kommunalen Sicherheitskräfte spannte er kurzerhand in sein Vorhaben ein, ließ sie einige Straßen abriegeln und das Postamt besetzen. Dann ließ sich Voigt den Bestand der Stadtkasse auszahlen (immerhin ergab sich ein Fehlbestand von 1,67 Mark) und zog mit den erbeuteten 3557,47 Mark davon.